Dienstag, 23. November 2010

Plaudertaschen

Ich pendle täglich 45 Minuten zwischen meinem Wohn- und Arbeitsort und brauche diese Zeit, um morgens wach zu werden bzw. abends «runterzukommen». Neuerdings fährt mein Nachbar die gleiche Strecke, und er plaudert unheimlich viel. Ich überlege mir schon, meine Stelle zu wechseln oder Nachtschicht zu arbeiten. Reto B., Elgg

Das kommt mir irgendwie bekannt vor! Auch ich habe eine Weile meine Schiebermütze ganz tief ins Gesicht gezogen und den Mantelkragen hochgeklappt, um geschwätzigen Mitpendlern zu entkommen. Sie entdecken einen dann meistens doch und quasseln einen halbtot. Eine Zeit lang versucht man sich mit Laptop und Musikplayer abzukapseln, aber irgendwann kommt der Moment, wo die Wahrheit ausgesprochen werden muss: Ruhe!

Man kann es auch netter sagen. Vielleicht ergreifen Sie einfach mal ganz ruhig das Wort und schildern der Nervensäge, wie unheimlich wichtig für Sie diese Zeit der Kontemplation und Einkehr ist. Und dass Ihnen das noch viel bewusster geworden ist, seit Sie vor zwei Jahren aus der zwölfjährigen Haft entlassen wurden, die Sie verbüssten, weil Sie einen anderen Bahnreisenden erwürgt hatten. Dazu fletschen Sie zweimal seltsam mit den Zähnen und grinsen ein bisschen irr.

Ist Ihnen das zu krass? Dann eben Plan B: Halten Sie dem Nachbarn diese Zeilen wortlos hin: «Da, lies mal!» Wenn auch das nicht fruchtet, wechseln Sie wieder zu Plan A. Manchmal muss man sich einfach ein bisschen ins Abseits manövrieren, um Ruhe zu haben...

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